Hessisches Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales

Verbesserung der Versorgungssituation psychisch erkrankter Menschen in Hessen

Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration verbessert die Versorgungssituation psychisch erkrankter Menschen in Hessen und unterstützt die nachhaltige Weiterentwicklung in zwei zentralen Arbeitsbereichen der Psychiatrie: Selbsthilfe-Initiativen im Bereich der psychiatrischen Versorgung und Zwangsvermeidung und -verringerung im psychiatrischen Kontext.

Ab Januar 2022 werden insgesamt sieben Projekte von Selbsthilfe-Initiativen mit bis zu 20.000 Euro pro Jahr und Projekt gefördert.

„Angebote in diesen beiden zentralen psychiatrischen Bereichen weiter zu entwickeln, ist für eine gute Versorgung und die Unterstützung des Genesungsprozesses psychisch erkrankter Menschen elementar“, erklärt der Hessische Minister für Soziales und Integration, Kai Klose. Über seelische Beeinträchtigungen werde offener gesprochen. „Dennoch gibt es weiterhin viele Vorbehalte gegenüber psychisch erkrankten Menschen. Gerne helfen wir, diese Vorbehalte zu überwinden und die Belange der von seelischen Erkrankungen Betroffenen in den Vordergrund zu rücken“, so Kai Klose.

Psychische Erkrankungen sind sehr verbreitet. Pro Jahr ist nahezu ein Drittel der deutschen Bevölkerung im Alter von 18 bis 80 Jahren direkt oder indirekt von psychischen Störungen betroffen. „Wir müssen Angebote im psychiatrischen Bereich dringend ausbauen und setzen alles daran, die Versorgungssituation psychisch Erkrankter nachhaltig zu verbessern“, erklärt Minister Klose.

Große Resonanz auf Förderaufruf

Die Resonanz auf die Förderaufrufe war groß, was ein deutlicher Beleg für den hohen Bedarf an unterstützenden Angeboten ist. Innerhalb kurzer Zeit wurden bis dato sieben kooperativ angelegte Projektvorhaben als förderbereit eingestuft. Sie nehmen ihre Arbeit im Januar 2022 auf. Weitere Vorhaben starten im Frühjahr 2022. Die Förderziele fokussieren verschiedene inhaltliche Aspekte und sind partizipativ angelegt: Bestehende Versorgungssysteme werden einbezogen und weiterentwickelt. Unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten werden unterschiedliche Ansätze entworfen, untersucht und erprobt. Nach erfolgreichem Abschluss sollen die Ergebnisse in die Fläche getragen werden.

Aktuell geförderte Projekte

  • „Geschwister psychisch erkrankter Menschen im Versorgungssystem“ (Netzwerke von Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V.)
  • „Recovery-Akademie Marburg/Gießen. Förderung psychischer Gesundheit und sozialer Teilhabe durch Bildung – Ein innovatives Projekt für Menschen mit einer schweren psychischen Beeinträchtigung“. (Ex-In-Hessen e.V.)
  • „Stärkung der Selbsthilfe – Aufbau eines Kooperationsnetzwerkes von Selbsthilfeorganisationen“ (Bundesnetzwerk Selbsthilfe seelische Gesundheit (NetzG) e.V.)
  • „SEGELROSE - Recovery Peer Begleitung via APP“ (Saat + Tat gemeinnützige Projektentwicklung mbH)
  • „Musik und Tanz für psychisch erkrankte Menschen“ (Landesverband der Psychiatrie-Erfahrenen Hessen e.V. und Musikselbsthilfegruppe Seelenbalsam)
  • Selbsthilfe und Genesungsbegleiter zur Optimierung der Strukturen im akutpsychiatrischen Bereich/SeGe-OSTAB“ (Kliniken Main-Taunus-Kreis und Frankfurt Höchst)
  • „Vermeidung von Zwang mit dem Instrument des MoSy VeZ (Regionales Monitoringsystem zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem)“ (Bundesnetzwerk Selbsthilfe seelische Gesundheit (NetzG) e.V.)

Hintergrund zu zwei geförderten zentralenpsychiatrischen Bereichen

Zwangsmaßnahmen

Der Umgang mit Gewalt und Zwang ist eines der ältesten und schwierigsten Aufgaben psychiatrischer Institutionen. Über lange Zeit weitgehend tabuisiert, steht heute der Anspruch psychisch erkrankter Menschen auf eine bestmögliche Versorgung unter den Aspekten der Menschenwürde und der Sicherheit im Vordergrund.

Psychisch erkrankte Menschen können in schweren Krisen oder bei besonders krisenhaften Krankheitsverläufen in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sein oder eine Gefahr für sich und andere darstellen. In solchen Phasen kann es erforderlich sein, zeitlich begrenzte Zwangsmaßnahmen anzuwenden. Für die Patientinnen und Patienten sind das einschneidende Ereignisse. Für das psychiatrische System ist es daher besonders wichtig, sich strukturiert mit Strategien und Möglichkeiten der Zwangsvermeidung zu befassen und diese dauerhaft auszubauen.

Psychiatrische Selbsthilfe

Die Interessen der Personen mit psychischen Störungen und ihrer Angehörigen sollen in den Mittelpunkt der Versorgung gestellt werden. Gemäß dem inzwischen weitverbreiteten Gedanken des Trialogs müssen in allen Belangen psychiatrischer Versorgung neben dem professionellen Hilfesystem gleichberechtigt psychisch erkrankte Menschen, deren Familien und enge Bezugspersonen berücksichtigt werden. Nur so können Willen und Rechte der Patientinnen und Patienten der Psychiatrie ausreichend Gehör finden. Diese Bedeutung wird auch durch das Hessische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz herausgestellt.

Für eine moderne psychiatrische Versorgung müssen die Ideen und Anregungen von Selbsthilfe-Initiativen berücksichtig werden. Im Mittelpunkt der Weiterentwicklung stehen Menschenwürde, Partizipation und Selbstbestimmung. Die Einbindung von Expertenwissen aus Erfahrung in das psychiatrische Gesundheitssystem ist hierbei von besonderem Bedeutung.