Handlungsempfehlungen (HLÖG)

Handlungsleitfaden für die Gemeinden und den Einzelhandel zur Freigabe von verkaufsoffenen Sonntagen nach § 6 HLöG. (Stand: August 2022)

Der Hessische Landtag hat am 12. Dezember 2019 das Zweite Gesetz zur Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes (HLöG) beschlossen, das am 24. Dezember 2019 in Kraft getreten ist (GVBl. I S. 434).

Wir möchten Ihnen mit diesem Handlungsleitfaden Hinweise für Ihr Genehmigungsverfahren zu verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen geben.

I. Grundsätzliches

Die Sonntagsruhe hat in Deutschland Verfassungsrang und steht unter besonderem Schutz. Deshalb muss jede Ausnahme hiervon einen gewichtigen Grund haben.

1. Müssen verkaufsoffene Sonn- oder Feiertage beantragt werden?

Das HLöG schreibt kein besonderes Antragsverfahren für die Freigabe der sonn- oder feiertäglichen Ladenöffnung vor. Die Gemeinden entscheiden eigenständig, ob und wie ein Antrag für einen verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertag gestellt werden soll.

2. Was ist vor Freigabe eines verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertags allgemein zu beachten?

Die Gemeinden entscheiden über die Freigabe von verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertagen in eigener Verantwortung. Sie haben sich über die geltenden Gesetze und die aktuelle Rechtsprechung zu informieren und diese zu beachten.

3. Was bedeutet im Hinblick auf die verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage das Regel-Ausnahme-Gebot?

Aus Art. 140 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) ergibt sich ein Schutzauftrag an den Gesetzgeber, die Sonn- und Feiertagsruhe zu gewährleisten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) muss deshalb die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen die Regel sein. Für eine Ausnahme von der sonntäglichen Arbeitsruhe bedarf es eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und -inhaberinnen und das alltägliche „Shopping-Interesse“ potenzieller Kunden genügen hierfür nicht. Darüber hinaus muss der Ausnahmecharakter der Sonntagsöffnung für die Öffentlichkeit deutlich erkennbar bleiben. Das heißt, dass an einem verkaufsoffenen Sonntag das Anlassereignis (der gewichtige Sachgrund) in seiner Öffentlichkeitswirkung im Vordergrund stehen muss, nicht die Ladenöffnung (siehe hierzu auch unter Abschnitt II „Anlass“).

4. Wieviel verkaufsoffene Sonn- und Feiertage sind pro Kalenderjahr möglich?

Gemäß § 6 Abs. 1 HLöG können die Gemeinden bis zu vier verkaufsoffene Sonn- und Feiertage freigeben.

5. Welche Feiertage sind von der Freigabemöglichkeit generell ausgeschlossen?

Die Adventssonntage, der 1. und 2. Weihnachtstag, Karfreitag, die Osterfeiertage, die Pfingstfeiertage, Fronleichnam, der Volkstrauertag und der Totensonntag dürfen nicht freigegeben werden.

6. Wie lange dürfen Verkaufsstellen an einem verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertag öffnen?

Verkaufsstellen dürfen maximal sechs zusammenhängende Stunden öffnen. Die Ladenöffnung muss spätestens um 20 Uhr enden.

7. Ist bei der Verkaufsstellenöffnung Rücksicht auf die Gottesdienste der Kirchen zu nehmen?

Ja. Die Öffnungszeiten sollen außerhalb der Zeit des Hauptgottesdienstes liegen.

8. In welcher Form ist die Freigabeentscheidung bekannt zu machen?

Die Freigabeentscheidung ist durch Allgemeinverfügung zu treffen und öffentlich bekannt zu machen. Das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 HLöG ist in der Begründung der Allgemeinverfügung darzulegen.

Das heißt, die öffentliche Bekanntmachung der Allgemeinverfügung muss enthalten:

  • die Freigabeentscheidung selbst,
  • die Begründung und
  • die Angabe der Öffnungszeiten.

9. Gibt es eine Frist für die Bekanntmachung der Allgemeinverfügung?

Ja. Die Freigabeentscheidung ist einschließlich ihrer Begründung spätestens drei Monate vor der beabsichtigten Verkaufsstellenöffnung öffentlich bekannt zu machen. Empfohlen wird daher eine rechtzeitige Planung des verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertags sowie die frühzeitige Einbeziehung aller Beteiligten, damit die Allgemeinverfügung fristgerecht veröffentlicht werden kann.

Mit einer Bekanntmachung der beabsichtigten Sonntagsöffnung durch die Gemeinde spätestens drei Monate im Voraus wird in Streitfällen eine frühere Entscheidung der Verwaltungsgerichte über die Sonntagsöffnung angestrebt. Damit soll eine bessere Planbarkeit für die Veranstalterinnen, Veranstalter und Verkaufsstellen ermöglicht werden, die sonst ggf. mit nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schäden (Kosten für den Kauf von leicht verderblichen Waren, Kosten für Werbung und Personalkosten) konfrontiert sein können.

Auf die jüngsten Entscheidungen des VGH Hessen vom 21. April 2022 (Az.: 8 B 685/22) und des VG Frankfurt am Main vom 7. Juli 2022 (Az.: 7 L 1754/22.F) wird besonders hingewiesen (siehe auch im Anhang).

10. Ist ein Anhörungsverfahren vor der Freigabe von verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen erforderlich?

Nein. Für die Wirksamkeit der Freigabeentscheidung ist eine vorherige Anhörung nicht erforderlich. Es wird den zuständigen Gemeinden jedoch empfohlen, vor Erlass der Allgemeinverfügung – zur Erhöhung der Planungssicherheit – die beteiligten Interessensvertretungen (vor allem Gewerkschaften, Kirchen, Handelsverbände, IHK und Handwerkskammer) anzuhören.

11. Welche Wirkung haben Widerspruch oder Anfechtungsklage gegen die Freigabeentscheidung einer Gemeinde?

Widerspruch und Anfechtungsklage haben gemäß § 6 Abs. 3 HLöG keine aufschiebende Wirkung. Die Freigabeentscheidung der Gemeinde ist daher kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Der bisherige Aufwand, in der Freigabeentscheidung deren sofortige Vollziehbarkeit anzuordnen und dies zu begründen, entfällt für die Gemeinde.

II. Anlass

1. Welche Voraussetzungen müssen für eine Sonn- und Feiertagsöffnung vorliegen?

Es muss ein Anlassereignis vorliegen, das in seiner öffentlichen Wirkung den verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertag prägt und somit gegenüber der Ladenöffnung im Vordergrund steht. Der Ausnahmecharakter der Sonntagsöffnung muss für die Öffentlichkeit erkennbar sein.

2. Welche Anlassereignisse kommen für eine Sonn- oder Feiertagsöffnung in Betracht?

In Betracht kommen Märkte, Messen oder besondere örtliche Ereignisse, die für sich, d.h. auch ohne die Ladenöffnung, einen beträchtlichen Besucherstrom anziehen:

  • Märkte und Messen i. S. des § 6 Abs. 1 HLöG sind solche Veranstaltungen, die die Voraussetzungen der §§ 64 oder 68 der Gewerbeordnung (GewO) erfüllen und nach § 69 GewO festgesetzt werden.

Zu beachten ist, dass eine gewerberechtlich festgesetzte Veranstaltung (Markt oder Messe) grundsätzlich eine Sonntagsöffnung rechtfertigen kann. Der Markt oder die Messe müssen jedoch gegenüber der Ladenöffnung im Vordergrund stehen. Daher entbindet das Vorliegen einer Festsetzung nach § 69 GewO die Gemeinde nicht davon, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Sonntagsöffnung nach § 6 Abs. 1 HLöG zu prüfen.

  • Besondere örtliche Ereignisse i. S. des § 6 Abs. 1 HLÖG sind solche Ereignisse, die einen örtlichen Zusammenhang mit der Gemeinde aufweisen und einen beträchtlichen Besucherstrom – auch auswärtige Besucher und Besucherinnen – anziehen. Dies können kulturelle, sportliche, künstlerische oder traditionelle Feste, Veranstaltungen und Ereignisse in der Gemeinde sein.

3. Welche Gründe oder Anlässe können eine Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen nicht rechtfertigen?

Private oder individuelle Ereignisse (z. B. Jubiläum eines Einzelhandelsgeschäfts) können eine sonntägliche Ladenöffnung nicht rechtfertigen.

Das bloße wirtschaftliche Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Kunden reichen ebenfalls nicht aus (vgl. hierzu BVerfG vom 1.12.2009, 1 BvR2857/07, 2858/07).

Auch die Steigerung der Einzelhandelsattraktivität einer Gemeinde kommt als Sachgrund nicht in Frage (vgl. hierzu BVerwG vom 11.11.2015, 8 CN 2.14).

4. Wie kann die Gemeinde beurteilen, ob das jeweilige Anlassereignis eine sonn- oder feiertägliche Ladenöffnung rechtfertigt?

Jede Gemeinde muss vor Erlass ihrer Freigabeentscheidung einzelfallbezogen beurteilen, ob die öffentliche Wirkung des konkreten Anlassereignisses gegenüber der sonntäglichen Ladenöffnung im Vordergrund steht (§ 6 Abs. 1 Satz 1 HLöG). Bei der Beurteilung ist die einschlägige Rechtsprechung der hessischen Verwaltungsgerichte, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts unbedingt zu beachten (Auszüge siehe Anhang).

5. Wann kann die Gemeinde davon ausgehen, dass die öffentliche Wirkung des Anlassereignisses gegenüber der sonntäglichen Ladenöffnung im Vordergrund steht?

Aufgrund der Regelvermutung in § 6 Abs. 1 Satz 2 HLöG kann die Gemeinde in der Regel davon ausgehen, dass das Anlassereignis gegenüber der Ladenöffnung im Vordergrund steht, wenn

  • ein enger zeitlicher und räumlicher Bezug zwischen Anlassereignis und Ladenöffnung besteht und
  • der Besucherstrom des Anlassereignisses voraussichtlich die Zahl der Ladenbesucherinnen und -besucher übersteigen wird.

Den Gemeinden wird empfohlen, die Überlegungen, die Grundlage ihrer jeweiligen Freigabeentscheidung sind, nachvollziehbar und nachprüfbar zu dokumentieren.

6. Wann liegt ein enger zeitlicher und räumlicher Bezug zwischen sonn- oder täglicher Ladenöffnung und Anlassereignis vor?

Ein enger räumlicher Bezug zwischen Ladenöffnung und Anlassereignis liegt vor, wenn das Anlassereignis aus Besuchersicht den Hauptanlass darstellt; die Ladenöffnung darf lediglich als Anhang wahrgenommen werden. Die Verkaufsfläche der geöffneten Verkaufsstellen darf daher nicht größer sein als die Fläche des Anlassereignisses. Je größer das Anlassereignis und je mehr Besucherinnen und Besucher dieses anzieht, umso größer kann der Bereich der Ladenöffnung sein. Kleine, sehr begrenzte Anlassereignisse können nur begrenzte sonntägliche Ladenöffnungen rechtfertigen.

Es wird daher empfohlen, die Freigabe der Ladenöffnung auf die örtlichen Bereiche in der Gemeinde zu beschränken, in denen das Anlassereignis stattfindet. So ist beispielsweise die Öffnung von außerhalb des Anlassereignisses liegenden Einkaufszentren oder Möbelmärkten in der Regel ausgeschlossen.

Die Ladenöffnung und das Anlassereignis müssen darüber hinaus in einem engen zeitlichen Verhältnis zueinanderstehen. Eine Ladenöffnung, die zwar am selben Tag wie das Anlassereignis stattfindet, sich mit diesem jedoch zeitlich nicht überschneidet, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 HLöG. Unzulässig ist beispielsweise eine sonntägliche Ladenöffnung am Nachmittag bis 18 Uhr aufgrund eines Ereignisses, das erst am Abend um 19 Uhr beginnt.

7. Wie ermittelt man den zu erwartenden Besucherstrom (Besucherprognose)?

Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sind vor Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags grundsätzlich eine Besucherprognose sowohl für das Anlassereignis als auch für die Ladenöffnung zu erstellen.

Beide Prognosen sind dann miteinander zu vergleichen. Das BVerwG verlangt, dass aufgrund dieser Prognosen die Zahl der Besucherinnen und Besucher, die voraussichtlich die Veranstaltung besuchen werden, die Zahl der Besucherinnen und Besucher übersteigen wird, die allein wegen der Öffnung der Verkaufsstellen kommen würden. Zur Erstellung der Prognose kann auf Befragungen zurückgegriffen werden. Sofern eine Veranstaltung erstmalig stattfindet, wird die Prognose notwendigerweise pauschaler ausfallen müssen. Hier könnten Erfahrungswerte der Ladeninhaberinnen und -inhaber zu den an Werktagen üblichen Besucherzahlen Anhaltspunkte geben (vgl. hierzu das Urteil des BVerwG vom 11.11.2015, 8 CN 2/14).

8. Muss die Gemeinde immer eine vergleichende Besucherprognose erstellen?

Die Gemeinde muss in jedem Fall prüfen und nachvollziehbar darlegen, dass die öffentliche Wirkung des Anlassereignisses an einem verkaufsoffenen Sonntag im Vordergrund steht (§ 6 Abs. 1 Satz 1 HLöG). Die Neuregelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HLöG erleichtert jedoch die entsprechende Darlegung.

Bei Anlassereignissen mit einem voraussichtlich beträchtlichen Besucherstrom kann in der Regel vermutet werden, dass der Besucherstrom des Anlassereignisses die Zahl der Besucherinnen und Besucher, die allein wegen der Ladenöffnung kommen würden, übersteigen wird. Bei solchen Anlassereignissen kann ohne eine vergleichende Besucherprognose vermutet werden, dass das Anlassereignis gegenüber der Ladenöffnung im Vordergrund stehen wird.

Voraussetzung für eine Freigabeentscheidung ist auch in diesen Fällen, dass die Ladenöffnung in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Anlassveranstaltung stattfindet (siehe hierzu auch das Urteil des BVerwG vom 22. Juni 2020, 8 CN 3.19).

9. Kann die Freigabeentscheidung auf bestimmte Bezirke oder Handelszweige beschränkt werden?

Es liegt im Ermessen der Gemeinde, ob sie im Einzelfall die Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen auf bestimmte Gemeindebezirke oder auf ein bestimmtes Warenangebot beschränkt. Die Gemeinde hat in ihrer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, dass die öffentliche Wirkung des Anlassereignisses im Vordergrund stehen muss; die zugelassene sonntägliche Ladenöffnung muss als bloßer Annex zum Anlassereignis erscheinen. Bei räumlicher oder thematischer Begrenzung des Anlassereignisses kann sich u.U. im konkreten Einzelfall eine Pflicht zur Beschränkung der Ladenöffnung ergeben (vgl. hierzu den Beschlüsse des Hess. VGH vom 17. März 2017, 8 B 871/17 und vom 4. Mai 2016, 8 B 1249/16).

III. Überwachung und Aufsicht

Im Rahmen der Evaluierung des HLöG wurde deutlich, dass zur Einhaltung des Sonn- und Feiertagsschutzes eine effektive Überwachung durch die Gemeinden und eine entsprechende Fachaufsicht wichtig ist. Als Grundlage für eine verbesserte Kontrolle und Aufsicht wurden die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen sowie die Fachaufsicht direkt im HLöG geregelt:

Die Überwachung über die Einhaltung des Gesetzes obliegt den Gemeinden bzw. dem Kreisausschuss.

Die Fachaufsicht obliegt den Landräten, den Regierungspräsidien bzw. dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration als oberste Fachaufsicht. Die Landräte üben die Fachaufsicht für Gemeinden bis 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner aus, die Regierungspräsidien üben die Fachaufsicht über die Landkreise und Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern aus, soweit sie Aufgaben nach § 3 Abs. 4, § 5 Abs. 2 und 3 und den §§ 6 und 10 HLöG oder damit im Zusammenhang stehende Aufgaben der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten erfüllen. Oberste Aufsichtsbehörde ist das für die Ladenöffnung zuständige Ministerium für Soziales und Integration. Die Regelung der Fachaufsicht in § 11 HLöG orientiert sich an den Vorschriften in § 4 Abs. 1 HGO bzw. § 4 Abs. 1 HKO.

IV. Rechtsprechung

Bei der Freigabe von sonn- und feiertäglicher Ladenöffnung handelt es sich stets um eine Einzelfallentscheidung, bei der sämtliche Umstände des konkreten Sachverhalts zu berücksichtigen sind. Auf die einschlägige Rechtsprechung wird daher verwiesen (siehe Anhang) und empfohlen, auch die künftige Rechtsprechung genau zu verfolgen.

V. Weiteres

Der Handlungsleitfaden soll nach Bedarf aktualisiert werden. Ergänzungen und Anregungen richten Sie bitte an die zuständigen Regierungspräsidien zur Prüfung und Aufnahme.

 

Rechtsprechung von besonderer Bedeutung bundesweit

Urteil des BVerfG vom 1. Dezember 2009 (Az. 1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07)

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte die Regelung im Berliner Ladenöffnungsgesetz von 2006, mit der alle vier Adventssonntage flächendeckend und voraussetzungslos für die Ladenöffnung freigegeben wurden, als nicht mit der Verfassung vereinbar angesehen. Das BVerfG hat mit diesem Urteil die grundlegenden Maßstäbe für die sonn- und feiertägliche Ladenöffnung festgelegt:

Aus der verfassungsrechtlichen Garantie der Sonn- und Feiertagsruhe in § 140 GG i. V. m. § 139 WRV ergibt sich, dass Sonn- und Feiertage erkennbar als Tage der Arbeitsruhe zur Regel erhoben werden müssen. Ausnahmen hiervon bedürfen eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes, der über bloße wirtschaftliche Umsatzinteressen und alltägliche Erwerbsinteressen („Shopping-Interessen“) hinausgeht.

Urteil des BVerwG vom 11. November 2015 (Az. 8 CN 2.14)

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte – wie schon in der Vorinstanz der VGH Bayern – die Verordnung über die sonntägliche Ladenöffnung zum „Echinger Frühjahrsmarkt“ für ungültig erklärt, da zum einen der räumliche Geltungsbereich für die Ladenöffnung nicht hinreichend bestimmt und zum anderen die vorgenommene Prognose zum Besucherstrom nicht schlüssig und vertretbar war. [Da in Bayern noch das Ladenschlussgesetz des Bundes gilt, erging die Verordnung in diesem Fall auf der Grundlage des § 14 LadSchlG.]

Das BVerwG führt in seinem Urteil aus, dass die sonntägliche Ladenöffnung nur dann mit dem Sonntagsschutz vereinbar ist, wenn die prägende Wirkung des Marktes für den öffentlichen Charakter des Tages gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund steht. Dies setzt nach Ansicht des BVerwG in der Regel voraus, dass die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird. Darüber hinaus muss der Markt für sich genommen – also nicht erst durch die Ladenöffnung – einen beträchtlichen Besucherstrom auslösen, der die zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteigt. Zur Abschätzung der jeweiligen Besucherströme kann beispielweise auf Befragungen zurückgegriffen werden; bei Märkten, die erstmalig stattfinden, wird die Prognose notwendig pauschaler ausfallen müssen.

Urteil BVerwG vom 17. Mai 2017 (Az. 8 CN 1.16)

Das BVerwG sah – entgegen dem vorinstanzlichen Urteil des OVG Rheinland-Pfalz – die Verordnung einer Gemeinde über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags am 29. Dezember 2013 zum „Jahresausklang“ als unwirksam an.

Seine bisherige Rechtsprechung hat das BVerwG in diesem Urteil fortgeführt: Die Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag ist verfassungsrechtlich nur dann gerechtfertigt, wenn ein hinreichender Sachgrund besteht. Das Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche Erwerbsinteresse potenzieller Kunden genügen hierfür nicht. Aber auch ein über das bloße Umsatzinteresse und das Erwerbsinteresse hinausgehendes öffentliches Interesse an einer Ladenöffnung muss hinreichend gewichtig sein, um die konkret beabsichtigte Ladenöffnung in ihrem zeitlichen, räumlichen und gegenständlichen Umfang zu rechtfertigen. Die konkrete Ladenöffnung und der konkrete Sachgrund sind in ein Verhältnis zu setzen – je weitreichender die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung, umso höher muss das Gewicht der für die Ladenöffnung angeführten Sachgründe sein.

Das BVerwG hat zusätzlich ausgeführt, dass als verfassungsrechtlich hinreichender Sachgrund für die Sonntagsöffnung die Steigerung der Einzelhandelsattraktivität einer Stadt nicht in Betracht kommt; diese verkörpert letztlich nichts anderes als das Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber.

Urteil BVerwG vom 12. Dezember 2018 (Az. 8 CN 1/17)

Das BVerwG hatte – wie schon die Vorinstanz – die Rechtsverordnung der Stadt Leipzig über die Öffnung von Verkaufsstellen anlässlich des Weihnachtsmarktes an zwei Adventssonntagen für rechtmäßig erachtet – jedoch nur soweit der Geltungsbereich der Rechtsverordnung den Ortsteil „Zentrum“ betraf.

Das BVerwG hat noch einmal die Notwendigkeit einer Besucherprognose unterstrichen. Es hat jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an die Prognose nicht überspannt werden dürfen. Es genügt nach Ansicht des BVerwG eine grobe Abschätzung der zu erwartenden Besucherzahlen auf der Grundlage der für die Gemeinde verfügbaren Daten. Obwohl in den Beschlussunterlagen der Stadt Leipzig keine vergleichende Besucherprognose, sondern nur eine Prognose über die Besucherzahlen des Weihnachtsmarktes vorlag, hat das BVerwG die von der Stadt Leipzig festgestellte Prognose für schlüssig und vertretbar angesehen. Entsprechend hielt das BVerwG die Annahme für vertretbar, dass aufgrund der hohen Besucherzahlen zum traditionsreichen Weihnachtsmarkt (im Tagesdurchschnitt an einem Adventssonntag 75.000 Besucher) der Weihnachtsmarkt mehr Besucher anziehen werde, als ohne ihn allein wegen der sonntäglichen Ladenöffnung ins Leipziger Zentrum kämen.

Urteil OVG Münster vom 17. Juli 2019 (Az. 4 D 36/19.NE)

Urteil BVerwG vom 22. Juni 2020 (Az. BVerwG 8 CN 3.19)

Das OVG hat in seinem Urteil die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags anlässlich der „Blaulichtmeile“ in Mönchengladbach für rechtskonform erachtet.

Das OVG führt in seinem Urteil aus, dass der Gesetzgeber durch die Neuregelung in § 6 Abs. 1 Satz 3 LÖG die Gemeinden bei der Freigabe von verkaufsoffenen Sonntagen im Zusammenhang mit einer Anlassveranstaltung von der nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG notwendigen vergleichenden Besucherprognose befreien wollte: „Hieran gemessen hält der Senat die ausdrückliche und zweifelsfreie landesgesetzliche Vorgabe, auf das Erfordernis einer Besucherprognose im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu verzichten, die in Gestalt der gesetzlichen Vermutung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 LÖG NRW … Niederschlag gefunden hat, für verfassungsrechtlich zulässig.“ (vgl. Rn. 81 des Urteils).

Voraussetzung für die Entbehrlichkeit der Besucherprognose ist jedoch nach Ansicht des OVG, dass die örtliche Veranstaltung einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht und dass sich die Ladenöffnung zeitlich und räumlich im Wesentlichen an der Veranstaltung orientiert. Das OVG hat außerdem klargestellt, dass auch nach der Neuregelung des LÖG NRW das stets gegebene kommunale Interesse an der Steigerung der Einzelhandelsattraktivität einer Gemeinde als verfassungsrechtlich hinreichender Sachgrund für die Sonntagsöffnung nicht in Betracht kommt.

Das BVerwG hat mit Urteil vom 22. Juni 2020 das Urteil des OVG abgeändert.

Das Verständnis des OVG hinsichtlich der Vermutungsregelung in § 6 Abs. 1 Satz 3 LÖG NRW genügt nach Auffassung des BVerwG den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig. Verfassungsrechtlich zulässig sei lediglich, den Gemeinden den Nachweis des Annexcharakters der Sonntagsöffnung durch die –verfassungskonform auszulegende – Vermutungsregelung zu erleichtern. Von einem Annexcharakter könne nur die Rede sein, wenn die für die Prägekraft entscheidende öffentliche Wirkung der Veranstaltung größer ist als die Ladenöffnung.

Die öffentliche Wirkung hängt wiederum maßgeblich von der jeweiligen Anziehungskraft ab. Die jeweils angezogenen Besucherströme bestimmten den Umfang und die öffentliche Wahrnehmbarkeit der Veranstaltung einerseits und der durch die Ladenöffnung ausgelösten werktäglichen Geschäftigkeit andererseits. Der Annexcharakter einer Ladenöffnung lasse sich daher kaum anders als durch prognostischen Besucherzahlenvergleich beurteilen (vgl. Rn. 20, 21 des Urteils). Auf die vergleichende Besucherzahlprognose könne nur verzichtet werden, wenn die Sonntagsöffnung nur innerhalb eines Zeitraums stattfinde, zu dem auch die Veranstaltung durchgeführt würde, und diesen nicht überschreite. Zudem müsse die Ladenöffnung auf Flächen beschränkt sein, die im unmittelbaren Umfeld der Veranstaltung liegen. (vgl. Rn. 26 des Urteils).

Hessische Rechtsprechungen von besonderer Bedeutung

 15. Weiterstädter Spargel- und Grillfestival

1. Instanz VG Darmstadt vom 23. April 2015 (Az. 3 L 541/15.DA)

2. Instanz VGH vom 30. April 2015 (Az. 8 B 851/15)

In der ersten Instanz sah das VG Darmstadt die Freigabeentscheidung als rechtswidrig an. Aus Sicht des VG stellte das Weiterstädter Spargel- und Grillfest keinen hinreichenden Anlass für die Festsetzung einer Sonntagsöffnung von Einzelhandelsgeschäften dar („anlassgebende Veranstaltungsgeschehen teilweise in keinem vernünftigen räumlichen Bezug mehr zur Ladenöffnung“). Insbesondere vermisste das VG eine auf eigenen Erhebungen beruhende, belastbare Prognose des zu erwartenden Besucherandrangs: „Für eine belastbare Prognose wäre jedoch zunächst erforderlich gewesen, dass sich die Antragsgegnerin [Gemeinde] nicht auf Angaben der – an dem Ergebnis interessierten – Veranstalterin verlässt, sondern eigene Erhebungen vornimmt.“ Dem VG drängte sich „der Eindruck auf, dass nicht das Festival die ‚Hauptsache‘ sein soll, sondern die Sonntagsöffnung der Läden im Gewerbegebiet“.

In der zweiten Instanz hob der VGH den vorinstanzlichen Beschluss des VG Darmstadt auf und bejahte den beträchtlichen Besucherstrom der Anlassveranstaltung. Nach Ansicht des VGH sprach Überwiegendes dafür, dass es sich beim Hoffest um eine einen beträchtlichen Besucherstrom auslösende Veranstaltung im Gebiet der Gemeinde handelt. Entgegen der Ansicht des VG Darmstadt sah der VGH die von der Gemeinde angestellte Besucherprognose auf der Grundlage der Zählung geparkter Fahrzeuge beim Hoffest des Vorjahrs (2014) für ausreichend.

 16. Weiterstädter Spargel- und Grillfestival

1. Instanz VG Darmstadt vom 18. April 2016 (Az. 3 L 540/16.DA)

2. Instanz VGH vom 4. Mai 2016 (Az. 8 B 1249/16)

In der ersten Instanz sah das VG Darmstadt die Freigabeentscheidung erneut als rechtswidrig an. In der Begründung der Entscheidung heißt es, nach einer neueren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2015 sei es nicht nur erforderlich, dass die Festveranstaltung für sich genommen einen starken Besucherstrom auslöst, sondern es müsse auch ausgeschlossen sein, dass daneben die Ladenöffnung den öffentlichen Charakter des Tages maßgeblich präge. Das VG sah es wiederum als problematisch an, dass die Gemeinde keine eigene realistische Prognose hinsichtlich des zu erwartenden Besucheraufkommens vorlegte, sondern lediglich eine solche der Veranstalterin nachreichte. Hinsichtlich des räumlichen Bezugs zwischen Anlassveranstaltung und Ladenöffnung bewertete das VG besonders negativ, dass die von der Ladenöffnung betroffenen Verkaufsflächen die Fläche des Hoffestes um weit mehr als das 50-fache überstiegen.

Im Gegensatz zu seiner Entscheidung im Jahr 2015 bestätigte der VGH hier den Beschluss des VG Darmstadt. Die Entscheidung der Gemeinde, wonach die Sonntagsöffnung für den Bereich eines größeren Teils des Stadtgebiets und ohne Beschränkung auf bestimmte Handelszweige freigegeben war, stellte sich für den VGH ermessensfehlerhaft dar. Nach Ansicht des Gerichts liegt es gemäß § 6 Abs. 2 HLöG (alt) im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung, die Freigabe der Öffnung von Verkaufsstellen auf bestimmte Bezirke und Handelszweige zu beschränken. „Die Ermessensausübung kann sich dabei hinsichtlich der räumlichen Beschränkung der Ladenöffnung zu einer Pflicht zur Beschränkung verdichten, soweit zwischen der Anlassveranstaltung und der Ladenöffnung kein nachvollziehbarer Zusammenhang besteht. Dies kann etwa in Städten oder Gemeinden mit mehreren Ortsteilen der Fall sein, wenn die Anlassveranstaltung nur in einem Stadt- oder Ortsteil stattfindet. Dann ist es in der Regel ermessensfehlerhaft, eine Ladenöffnung in weiten Teilen des gesamten Stadt- oder Gemeindegebiet zuzulassen.“

Es war für den VGH nicht erkennbar, dass der durch das Spargel- und Grillfestival hervorgerufene Besucherstrom am Sonntag einer Versorgung durch allen Handelszweigen zugehörige Geschäfte bedurfte, die sich in dem in der Allgemeinverfügung genannten Gebieten der Gemeinde befanden.

Frankfurter Musikmesse

1. Instanz VG Frankfurt vom 24. März 2016 (Az. 7 L 602/16.F)

2. Instanz VGH vom 5. April 2016 (Az. 8 B 751/16)

In der ersten Instanz bestanden für das VG Frankfurt keine rechtlichen Bedenken bezüglich der Freigabeentscheidung durch die Stadt Frankfurt. Aus Sicht des VG waren die gesetzlichen Voraussetzungen (= Veranstaltung ist die „Hauptsache“ und die Sonntagsöffnung lediglich der „Nebeneffekt“) erfüllt. Vor dem Hintergrund des beachtlichen Besucherstroms zur Musikmesse und der Hotelauslastung über das gesamte Stadtgebiet war für das VG die Entscheidung der Stadt Frankfurt, keine Beschränkung in räumlicher Hinsicht oder auf bestimmte Handelszweige vorzunehmen, nachvollziehbar.

In der zweiten Instanz hob der VGH den vorinstanzlichen Beschluss des VG Frankfurt auf. Nach Ansicht des VGH war die Gestattung der Öffnung sämtlicher Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet offensichtlich rechtswidrig. Es läge im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung, die Freigabe der Öffnung von Verkaufsstellen auf bestimmte Bezirke und Handelszweige zu beschränken. Für den VGH war nicht nachvollziehbar, dass der durch die Musikmesse hervorgerufene Besucherstrom sich auf ein 10 km vom Messegelände entferntes Einkaufszentren, geschweige auf die gesamte Fläche der Stadt auswirke. Ebenso wenig bedurfte es nach Ansicht des VGH einer unbeschränkten Versorgung durch sämtliche Handelszweige im gesamten Stadtgebiet.

Buchmesse Frankfurt

1. Instanz VG Frankfurt vom 18. Oktober 2016 (Az. 7 L 3717/16.F)

2. Instanz VGH vom 21. Oktober 2016 (Az. 8 B 2618/16)

In der ersten Instanz sah das VG Frankfurt keine Ermessensfehler durch die Stadt Frankfurt, die Sonntagsöffnung für das gesamte Stadtgebiet festzulegen, da es sich bei der Buchmesse um ein Großereignis handele, das auf das gesamte Stadtgebiet ausstrahle. Eine örtliche Einschränkung sei daher nicht möglich. Eine vergleichbare Prognose der zu erwartenden Messebesucher und der „Sonntagsshopper“ war nach Ansicht des Gerichts aufgrund der Bedeutung und des Ausmaßes der Buchmesse entbehrlich Die Sonntagsöffnung stelle nur einen Nebeneffekt zur Hauptsache dar.

In der zweiten Instanz hob der VGH den vorinstanzlichen Beschluss des VG Frankfurt auf. Die Ladenöffnung auf das gesamte Stadtgebiet zuzulassen und lediglich den Handel mit Kraftfahrzeugen, Baustoffen und Baubedarf sowie Roh- und Brennstoffen auszunehmen, war nach Auffassung des VGH offensichtlich rechtswidrig. Der VGH führte im Wesentlichen aus, dass durch die Erlaubnis der Sonntagsöffnung nicht sichergestellt sei, dass die öffentliche Wirkung der Buchmesse gegenüber der werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund stehe. Die Stadt habe weder die Ladenöffnung auf das räumliche Umfeld der Buchmesse begrenzt noch bei der Ladenöffnung einen thematischen Bezug zur Buchmesse hergestellt. Der VGH beanstandet zudem, dass die Stadt Frankfurt es unterlassen habe, eine Prognose anzustellen, ob der Besucherstrom, den die Buchmesse für sich genommen auslöse, die Zahl der Besucher übersteigt, die allein wegen der Ladenöffnung im gesamten Stadtgebiet nach Frankfurt kämen.

Museumsuferfest Frankfurt

1. Instanz VG Frankfurt vom 12. Juli 2017 (Az. 7 L 4403/17.F)

2. Instanz VGH vom 11. August 2017 (Az. 8 B 1575/17)

 IAA Frankfurt

1. Instanz VG Frankfurt vom 12. Juli 2017 (Az. 7 L 4435/17.F)

2. Instanz VGH vom 15. August 2017 (Az. 8 B 1576/17)

 Buchmesse Frankfurt

1. Instanz VG Frankfurt vom 12. Juli 2017 (Az. 7 L 4443/17.F)

2. Instanz VGH vom 21. August 2017 (Az. 8 B 1577/17)

In erster Instanz sah das VG Frankfurt bei allen drei Veranstaltungen die Freigabeentscheidungen als rechtswidrig an. In der Begründung der Entscheidungen heißt es unter Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung im Wesentlichen, dass nach einer neueren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2015 es nicht nur erforderlich sei, dass die Festveranstaltung für sich genommen einen starken Besucherstrom auslöst, sondern dass auch ausgeschlossen sein müsse, dass daneben die Ladenöffnung den öffentlichen Charakter des Tages maßgeblich präge. Die jeweils erforderliche Besucherprognose sei nicht erstellt worden. Eine Gegenüberstellung der Zahl der Festbesucher zur derjenigen Zahl der Besucher, die allein wegen der Ladenöffnung kämen, sei nicht erfolgt. Das Gericht war der Ansicht, dass auf die Prognoseentscheidung nicht verzichtet werden kann, weil es nicht offensichtlich sei, dass die gesetzlichen Anforderungen des HLöG im Blick auf die Veranstaltungen zumindest im Ergebnis eingehalten worden seien. Nach Ansicht des VG fehle es zudem an einem räumlichen Bezug, der sicherstellt, dass die Verkaufsstellenöffnung noch in Verbindung zu den Veranstaltungen gebracht wird. Mit Ausnahme der in der Allgemeinverfügung ausgeschlossenen Handelszweige umfasse die Ladenöffnung das gesamte übrige Sortiment, zu dem ein thematischer Bezug zu den Veranstaltungen überhaupt nicht ersichtlich sei.

In allen drei Fällen verwarf der VGH in zweiter Instanz die Beschwerden der Stadt Frankfurt am Main gegen die Beschlüsse des VG Frankfurt als unzulässig. Zur Begründung führte der VGH aus, dass die Beschwerdebegründungen nicht den formalen gesetzlichen Anforderungen genügen. Danach hätte die Stadt Frankfurt die Gründe darlegen müssen, aus denen die Entscheidungen abzuändern oder aufzuheben seien, und sich mit den angefochtenen Entscheidungen auseinandersetzen. Dies erfordere, dass die Beschwerde mit schlüssigen Gegenargumenten auf die entscheidungstragenden Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses eingehe. Sofern das VG Frankfurt seine Entscheidungen auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt hat, müsse das Beschwerdevorbringen die genannten Anforderungen mit Blick auf jeden dieser Gründe erfüllen. Der Beschwerdeführer müsse nicht nur die Punkte bezeichnen, in denen der Beschluss angegriffen werden solle, sondern auch angeben, aus welchen Gründen er die angefochtene Entscheidung in diesen Punkten für unrichtig halte, welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus seiner Einschätzung nach ergäben und was richtigerweise zu gelten habe. Diesen Anforderungen werden die Beschwerdebegründungen nicht gerecht. Den Ausführungen der Stadt Frankfurt mangele es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung.

Frühlingsmarkt Weilburg

VGH vom 21. April 2022 (Az. 8 B 685/22)

Der VGH hob den Beschluss des VG Wiesbaden (5 L 382/22.WI) auf. Die Allgemeinverfügung erweise sich als offensichtlich rechtswidrig, da ihre Bekanntgabe nicht rechtzeitig erfolgt sei. In der Begründung des Entwurfs für das Zweite Gesetz zur Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes werde als Anlass für die Einführung der Drei-Monats-Frist die Ermöglichung einer besseren Planbarkeit für die Veranstalter und Verkaufsstellen erwähnt. Zweck der Neuregelung sei, der späten Bekanntgabe von Freigabeentscheidungen und damit von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen „im allerletzten Moment“ entgegenzuwirken. Bei der Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 3 HLöG handele es sich um eine essentielle Verfahrensvorschrift, sodass deren Verletzung einen absoluten Aufhebungsgrund darstelle.

Schweizer Straßenfest Frankfurt

VG Frankfurt vom 7. Juli 2022 (Az. 7 L 1754/22.F)

Die Allgemeinverfügung erweise sich als offensichtlich rechtswidrig, weil ihre öffentliche Bekanntgabe nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist nach dem Hessischen Ladenöffnungsgesetz erfolgt sei. Diese Frist war mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Stadt Frankfurt am Main vom 05.07.2022 nicht gewahrt. Bei der Dreimonatsfrist handele es sich um eine essentielle Verfahrensvorschrift, die zwingend einzuhalten sei.

Beschwerde gegen die Entscheidung des VG Frankfurt wurde nicht eingelegt.

Weitere hessische Rechtsprechungen seit 2019

Seit dem Jahr 2019 wurden nachfolgende einschlägigen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Frankfurt und Gießen veröffentlicht, die im Wesentlichen in ihren Beschlüssen mit den oben angeführten Gerichtsentscheidungen vergleichbar sind:

14. Caravaning-Tagen und der 24. Handwerks- und Gewerbemesse Bad Vilbel

VG Gießen vom 28. Februar 2019 (Az. 8 L 655/19.GI)

Barbarossamarkt und Familienfest Gelnhausen-Mitte

VG Frankfurt vom 5. März 2019 (Az. 7 L 723/19.F)

Frühlingsfest Neu-Anspach

VG Frankfurt vom 3. Mai 2019 (Az. 7 L 1557/19.F)

30. Weilburger Residenzmarkt

VG Wiesbaden vom 10. Oktober 2019 (Az. 5 L 1724/19.WI)

KreisStadtSommer Hofheim

VG Frankfurt vom 18. Juni 2021 (Az. 7 L 1590/21.F)

Gallusmarkt Wetzlar

VG Gießen vom 14. Oktober 2021 (Az. 8 L 3290/21.GI)

 

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