Präambel
„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG)
In Deutschland leben rund 13 Millionen Menschen mit Behinderungen, davon sind ungefähr 8 Millionen Menschen schwerbehindert. Das sind ca. 15 bzw. 10 % der Bevölkerung. Eine knappe Million Menschen mit Behinderungen bezieht Leistungen der Eingliederungshilfe. Nur rund 3% der schweren Behinderungen sind angeboren, weit überwiegend werden Behinderungen im Laufe des Lebens durch Unfälle und Erkrankungen erworben. Jede und Jeder kann jederzeit betroffen sein.
Menschen mit Behinderungen in ihrer Vielfalt sind eine systemrelevante Gruppe.
Während Behinderungen in Deutschland noch immer oft als etwas Defizitäres betrachtet werden, steht die UN-Behindertenrechtskonvention für einen Paradigmenwechsel im Verständnis von Behinderung. In Abkehr vom medizinischen Modell von Behinderung wird Behinderung heute menschenrechtlich als das Wechselverhältnis zwischen individueller Beeinträchtigung und den bestehenden Einstellungs- und Umweltbarrieren verstanden, wenn hieraus eine Teilhabeeinschränkung folgt. Dieses Verständnis weist die Verantwortung für den Abbau von Barrieren der Gesellschaft zu.
Auf der Basis des grundgesetzlichen Benachteiligungsverbotes und der von Deutschland vorbehaltlos ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention sowie daraus resultierenden Rechtsanpassungen und der entsprechenden Umsetzung in der Praxis wurde auf dem Weg zu mehr Teilhabe einiges erreicht. Bis zur Verwirklichung einer inklusiven Gesellschaft ist es aber noch ein weiter Weg. Dies belegen auch die abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zum kombinierten 2. und 3. Staatenbericht Deutschlands aus dem Jahr 2023. Diese bescheinigen Deutschland ein Vollzugsdefizit auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft und geben konkrete Handlungsempfehlungen, die als menschenrechtliches Pflichtenheft zu begreifen sind.
Die G7-Staats- und Regierungschefs haben im Juni 2024 mit ihrem Abschlusskommuniqué zum Treffen im italienischen Borgo Egnazia ein klares Bekenntnis zur Inklusion abgegeben.
Die unabhängig und weisungsfrei tätigen Behinderten- bzw. Inklusionsbeauftragten als Interessenvertretende der Menschen mit Behinderungen wirken in allen Politikfeldern auf gleichwertige Lebensverhältnisse von Menschen mit und ohne Behinderungen hin und fördern die Weiterentwicklung von Inklusion.
Die Mitglieder der KBB stellen fest:
- Die Verwirklichung einer umfassenden selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist ein alle Politikfelder betreffendes Querschnittsthema.
- Die Belange von Menschen mit Behinderungen müssen bei allen administrativen und politischen Entscheidungen beachtet werden. Diese Entscheidungen sind stets auf ihre Vereinbarkeit mit den menschenrechtlichen Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zu prüfen. Sie muss Richtschnur des Handelns sein.
- Die Verpflichtungen zur Herstellung von umfassender Barrierefreiheit als Wesensmerkmal einer inklusiven Gesellschaft sind nicht nur rechtlich verpflichtend, sondern auch Qualitätsstandard für ein modernes Land und ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Davon profitiert die gesamte Gesellschaft.
Die Mitglieder der KBB erklären hierzu:
- Wir bekennen uns zu den Verpflichtungen der UN-Behindertenrechtskonvention und deren Leitmotiv „Inklusion“. Die Allgemeinen und Abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses geben den Vertragsstaaten und den Unterzeichnenden dieser Erklärung eine Orientierung und Empfehlung für die Umsetzung der Konvention.
- Um den menschenrechtlichen Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention nachzukommen, setzen sich die Unterzeichnenden dafür ein, die selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen zu gewährleisten und unterstützen hierfür geeignete Vorkehrungen. Dazu gehört insbesondere, das individuelle Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen zu wahren und es ihnen zu ermöglichen, außerhalb von Sonderstrukturen zu lernen, zu leben und zu arbeiten.
- Zur Umsetzung des Auftrages der Beauftragten schlägt die KBB vor, möglichst bis Ende 2026 politikfeldbezogene Erfordernisse in alle Konferenzen der Ministerinnen und Minister zu vermitteln.
- Die KBB bietet der MPK an, sich regelmäßig zum Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auszutauschen und Handlungsbedarfe zu erörtern.
Die KBB erwartet, dass die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder Inklusion als politischen Handlungsschwerpunkt weiterverfolgen und die Aktionspläne zur Umsetzung der UN-BRK in den Ländern zur Chefsache machen. Dies beinhaltet auch eine regelmäßige politische Befassung mit dem jeweiligen Umsetzungsstand und die Sensibilisierung der kommunalen Ebene.
Leipzig, 24. Oktober 2024