Krank durch Zecken
Zecken sind vor allem in der wärmeren Jahreszeit aktiv, sie stechen ab März. Dabei enthalten viele Zecken Krankheitskeime, die für sie selbst unschädlich sind, die sie aber mit dem Stich auf den Menschen übertragen können. So sind sie für den Menschen die Überträger zweier Krankheiten, die Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Beide Erkrankungen können in seltenen Fällen auch gleichzeitig vorkommen. Zecken, die die Borreliose-Erreger in sich tragen, kommen überall vor. Für die FSME sind hingegen in Hessen der Odenwald, die Bergstraße, der Landkreis Darmstadt-Dieburg und der Kreis Marburg-Biedenkopf Risikogebiete, d.h. Gebiete, in denen die Zecken den FSME-Virus in sich tragen (siehe Abbildung).
Weitere Risikogebiete für die FSME liegen in Bayern und Baden-Württemberg und z.T. in den neuen Bundesländern. Außerhalb Deutschlands sind die Hauptverbreitungsgebiete der FSME Ost- und Mitteleuropa, vor allem bestimmte Gebiete in Österreich, Polen, Ungarn, dem ehemaligen Jugoslawien, der Slowakei und Tschechien, der ehemaligen Sowjetunion (besonders Lettland) sowie Skandinavien. Die Zecken finden sich am Boden oder im Gestrüpp bis rund 1 Meter Höhe und krabbeln Erwachsenen an den Beinen hoch, so dass die Lokalisation häufig an den tiefer liegenden Körperteilen erfolgt. Kinder hingegen können Zecken leichter auch in Kopfhöhe haben.
Hinweis für Ärzte:
Für meldepflichtige Krankheiten kann das Formular verwendet werden, das unten als PDF-Datei angeboten wird.
Borreliose
Diese Erkrankung verläuft in Schüben. Nach dem Zeckenstich entwickelt sich meist zunächst eine Hautveränderung, das sogenannte Erythema chronicum migrans. Innerhalb von drei Tagen bis drei Wochen, manchmal aber auch erst Monate nach dem Stich, entsteht dabei in der Region des Zeckenstiches eine Hautrötung, die sich ausbreitet und zentral abblasst. Die Krankheit kann von selbst abheilen oder ein bis vier Monate später in ein 2. Stadium eintreten. Dieses 2. Stadium ist durch eine umfangreiche Nervenentzündung mit von einzelnen Nervenwurzeln ausgehenden Schmerzen und Lähmungen charakterisiert. Häufig betroffen sind Arme und Beine oder auch der Gesichtsnerv (Nervus facialis).
Seltener sind eine Gehirnentzündung, Rückenmarksentzündung oder Nervengeflechtsentzündung. In ca. 10 % der Fälle kommt es zu einer Entzündung des Herzens. Fünf bis sechs Monate später erfolgt bei unbehandelten Patienten häufig ein 3. Stadium. In diesem 3. Stadium, kann es neben weiteren Hauterscheinungen mit rotblau verfärbten Hautarealen und Gelenkbeschwerden (Lyme-Arthritis) zu einer chronisch fortschreitenden Entzündung von Gehirn und Rückenmark (Enzephalomyelitis = selten), einer chronischen Erkrankung mehrerer Nerven (Polyneuropathie) oder einer Muskelentzündung kommen.
Nur jeder zweite Patient erinnert den schmerzlosen Zeckenstich. Die Diagnose wird durch Antikörper-Titer-Bestimmung im Blut (Serum) und Liquor gesichert. Die empfohlene Behandlung der Borreliose richtet sich nach dem Stadium.
Bei Kindern sieht die Behandlung wie folgt aus:
- Erythema migrans, Lymphozytom, jeweils in Tablettenform unter 9 Jahren Amoxicillin (50 mg/kg/d in 3 Einzeldosen) oder Cefuroximaxetil (20-30 mg/kg/d in 2 Einzeldosen) über 9 Jahren Doxycyclin (1. Tag: 4 mg/kg, dann 2 mg/kg/d);
- Neuroborreliose, Arthroborreliose, Borrelien-Karditis jeweils als Infusion Ceftriaxon (50 mg/kg/d [max. 2 g/d] in 1 Einzeldosis über 14 Tage) oder Cefotaxim (200 mg/kg/d [max. 6 g/d] in 2-3 Einzeldosen über 14 Tage) oder Penicillin G (500 000 IE/kg/d [max. 12 Mega/d] in 4 Einzeldosen über 14 Tage).
Bei Erwachsenen ist als Behandlung vorgesehen:
- Möglichst frühzeitig, schon im Stadium migrans – u. U. bereits bei Verdachtsdiagnose – Doxycyclin (100-200 mg/d als Tablette) für mindestens 21 Tage, bei Kontraindikation Oralpenicilline, Oralcephalosporine oder Erythromycin bzw. Amoxicillin, im vorgerückten Stadium Cephalosporine.
- Bei Neuroborreliose Ceftriaxon i.v. (= intravenös = in die Vene) oder Cefotaxim i.v. über 3 Wochen. Frühzeitig und ausreichend (Länge und Dosis) behandelt ist die Prognose günstig
FSME
Für die FSME besteht jahreszeitliche Gipfel in den Monaten Juni-Juli und September-Oktober. Denn hier sind die Zecken hauptsächlich aktiv.
Die meisten Infizierten leiden lediglich unter grippeähnlichen Beschwerden, insbesondere Kopf- und Gliederschmerzen. Diese treten zwei Tage bis drei Wochen nach dem Stich auf. Bei ca. 25 % der Fälle kommt es, nach einer vorübergehenden beschwerdefreien Zeit, ca. 3 Wochen später zu einer zweiten Erkrankungsphase. Diese äußert sich mit einem Temperaturanstieg bis auf 40 Grad C und Symptomen einer Hirnhautentzündung (Meningitis) oder auch einer Hirnentzündung und/oder Rückenmarksentzündung. Besonders im höheren Lebensalter kann die Erkrankung schwerer verlaufen und es kommt zu einer Kinderlähmungs- (Poliomyelitis-) ähnlichen Symptomatik.
Die Diagnose erfolgt durch eine Blutuntersuchung oder, bei entsprechenden Symptomen, durch eine Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit.
Die Häufigkeit der FSME-Infektionen ist in Deutschland ungleichmäßig verteilt. Als FSME-Risikogebiete werden Endemiegebiete der FSME deklariert, in denen für Personen mit Zeckenexposition ein Erkrankungsrisiko besteht, das präventive Maßnahmen begründet. In 2021 zählen in Hessen zu den Risikogebieten der Landkreis Marburg-Biedenkopf, der Main-Kinzig-Kreis, Stadt- und Landkreis Offenbach, der Landkreis Groß-Gerau, der Stadtkreis Darmstadt, der Landkreis Darmstadt-Dieburg, der Landkreis Bergstraße und der Odenwaldkreis (von Norden nach Süden). Mit der FSME-Impfung steht ein wirksamer Schutz vor der FSME zur Verfügung. Die STIKO empfiehlt die FSME-Schutzimpfung
- für Personen, die in Risikogebieten wohnen oder arbeiten und dabei ein Zeckenstichrisiko haben und
- für Personen, die sich aus anderen Gründen in Risikogebieten aufhalten und dabei gegenüber Zecken exponiert sind
(Epidemiologisches Bulletin des RKI Nr. 21/2021). Die FSME-Impfung schützt nicht vor Borreliose.
Eine ursächliche Behandlung, zum Beispiel durch Antibiotika, ist nicht möglich. Die Prognose bei Erkrankung ist jedoch meist günstig. In einigen Fällen bleiben jedoch Schäden zurück. Die Sterblichkeit liegt bei 1 bis 2 % der Verläufe. Die Infektion hinterlässt eine lebenslange Immunität. Es besteht die Möglichkeit einer Impfung gegen die FSME. Die aktive Immunisierung ist Personen, die sich in Risikogebieten im Freien aufhalten, zu empfehlen.
Die Übertragung der Keime (Borrelien oder FSME-Virus) beim Zeckenstich braucht nach den vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen bis zu 24 Stunden. Je länger die Zecke im Körper haften bleibt, desto höher ist also das Risiko einer Infektion. D.h. es ist auf jeden Fall ein sofortiges Absuchen der Kleidung bzw. des Körpers nach möglichem Zeckenkontakt sinnvoll.
Die Zecken sind aus dem Körper durch vorsichtiges Ziehen, am besten mit einer speziellen Zeckenzange oder aber mit einer Pinzette, zu entfernen. Dabei sollen die Zecken so nah der Haut wie möglich gefasst und ohne zu reißen herausgezogen werden (nicht den Hinterleib quetschen). Danach sollte die Einstichstelle idealerweise mit sterilem Alkohol betupft werden. An schwer zugänglichen oder sehr empfindlichen Hautbereichen haftende Zecken (z.B. Genitalbereich, Gehörgang oder Augenlider, Bindehaut) sollen nicht durch den Patienten selbst, sondern durch den Arzt/Facharzt, manchmal sogar unter mikroskopischer Hilfe, entfernt werden.